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„Opus est – BRIGITTA C. QUAST und HARRY R. SINSKE“
Galerie der Manufaktur Lebenskunst, Zehdenick
Samstag, 24. September 2011, 15.00 Uhr

Eröffnung der Ausstellung / Rede von Frau Dr. Brigitte Hammer



























Liebe Brigitta Quast, lieber Harry Sinske, liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

In dieser Ausstellung mit dem Titel „Opus est…“ lernen wir heute zwei Künstler – BRIGITTA C. QUAST und HARRY R. SINSKE – von einer neuen Seite kennen. Von beiden gibt es Arbeiten im Skulpturengarten: das Klangobjekt von Brigitta Quast, das mit seinen feinen an Schnüren aufgehängten Nägeln das Element Luft und seine Wirkung im Wind als Bewegung ins Spiel bringt und die „Poker-Zwinge“ von HARRY R. SINSKE, die das bildhauerische Grundthema von Tragen und Lasten der vertikal wirkenden Anziehungskräfte um den Aspekt des horizontalen Kräftespiels von Druck und Gegendruck bereichert.

Die Arbeiten in der Galerie ergänzen und erweitern die durch die Außenarbeiten angerissenen Themen. Wenn im
Außenraum durch das Klangobjekt das Thema „Element Luft“ gesetzt ist, begegnen wir im Innenraum seinen drei
Geschwistern: Feuer, Wasser und Erde. Wir haben hier also einen komplex gestalteten Raumzusammenhang vor uns, der eine intensive Wirkung auf uns ausübt. Ich möchte in meinen nachfolgenden Ausführungen versuchen, aufzuspüren, auf welche Gestaltungselemente diese Wirkung zurück zu führen ist und welche Gedanken daraus abgeleitet werden können.

Von BRIGITTA C: QUAST sehen wir hier einige Bilder in ihrer speziellen, auf Lasuren und Schichtungen aufbauenden Maltechnik, die den Raum mit einer erregenden Farbenergie aufladen. Obwohl einige der abstrakten Bilder auf den ersten Blick und aus der Ferne monochrom wirken, entfalten sie bei der näheren Betrachtung ihren ganzen Zauber. Da kann das Auge in diesen Flächen wie in einer Landschaft spazieren gehen, da zeigt sich, dass diese scheinbare Einfarbigkeit überhaupt nicht ein-tönig ist, sondern sich aus vielen lasierenden, durchscheinenden, manchmal auch opaken Schichten zusammen setzt. Manchmal sind die Farboberflächen glatt schimmernd und matt glänzend, manchmal auch schrundig, wie vom „Zahn der Zeit“ angeknabbert. Diese Schichttechnik gibt den Bildern ihre vibrierende Ausstrahlung.Quast hat einen Auswahl von Bildern in blau- und Rottönen getroffen, die in den letzten zwölf Jahren entstanden sind. Wie in den strahlenden Blöcken stehen sie sich gegenüber und hüllen den Betrachter in einen spannungsgeladenen Farbraum ein. Auf der einen Seite erregen die luziden Blau-Vibrationen, die uns mit ihrer durchsichtigen Tiefe in weite Fernen schauen lassen, unsere Aufmerksamkeit; auf der anderen Seite versuchen uns die glühenden Röten mit ihrer Feuerenergie abzulenken – ein wildes Spiel der Elemente.
Zwischen diesen massiven Konzentrationen an Farbenergie öffnet sich ein schmaler unsichtbarer Korridor und lenkt den Blick auf ein kleines strahlendes Kraftzentrum an der der Einganstür entgegen gesetzten hinteren Galeriewand. Dort schimmert eine mit Blattgold belegte, nahezu quadratisch geformte Fläche aus der Tiefe des Raumes und reflektiert und verstärkt jeden noch so schwachen Lichtreflex.
Das Gold repräsentiert dabei auch noch die dritte Grundfarbe, sodass wir hier also auch den elementaren Grunddreiklang der Farbenlehre „Blau-Gelb-Rot“ verwirklicht sehen. Und wie eine visuelle Bestätigung dieser Beobachtung leuchtet unter der goldenen Fläche ein kleines frisches Grün, also eine Mischung aus Blau und Gelb - wie ein Stück duftende Sommerwiese mischt sie sich in das Konzert der Elemente, das mit dem mal zarten, mal intensiven Blau die Farbe des Wassers und des Himmels (bzw. der Luft) einbringt.

Nun haben wir mehrfach von Wasser, Feuer und Luft gesprochen – es fehlt uns noch der Aspekt „Erde“, um das Quartett der Elemente zu vervollständigen. Oder – um es anders auszudrücken – zu den unfassbaren, flüchtigen Elementen wie sie Feuer, Luft und Wasser darstellen, muss noch die „Erdung“ kommen, die ganz unzweifelhaft HARRY R. SINSKES Metier und Angelegenheit ist.

In seiner Arbeit „gesetzter Wimpel“ bildet ein auffällig geformter, granitener Pflasterstein das präsente Zentrum der
Arbeit, deren Basis von einem halbkugelförmigen Sockel aus Betonguss gebildet wird. Aus dem Beton-Sockel ragt ein etwa ein Meter langer, naturfarbener und glatt gehobelter Holzstock. Der Pflasterstein wird trotz seiner sichtbaren Gewichtigkeit von einem um den Holzstock geschlungenen Seil gehalten, das unterhalb des Steines mehrmals um den Stab herumgeführt wird und dessen langes Ende mehrmals zusammengeschlungen auf dem Boden liegt, so als habe der Errichter des „Wimpels“ erst kürzlich nach der Markierungsaktion den Schauplatz verlassen. Von diesem Pflasterstein mit seiner schrundigen Oberfläche, der nach Bauarbeiten an Brandenburger Landstraßen übrig blieb und von der Geschichte seiner Verwendung zeugte, geht eine „Schwer-Kraft“ aus, die signalisiert, dass mit ihr zu rechnen ist. Das ist kein Stein, der sich mit gleichgültigem oder leichtem Tritt aus dem Wege kicken lässt, eher einer, der signalisiert: Überleg es Dir gut, ob Du Dich mit mir einlassen willst. Diese Arbeit in ihrer ebenso schlichten wie präsenten Gegenwärtigkeit kommt mir wie eine Visualisierung jener Nachricht vor, dass zur Zeit mehrere Staaten versuchen, im Meer unter dem Nordpol ihr Hoheitszeichen einzupflanzen, um rechtzeitig ihre Claims abzustecken, wenn infolge des Klimawandels das Eis über den Polkappen schmilzt und die darunter liegenden Bodenschätze zugänglich werden könnten.

Sinskes zweite Arbeit – das „selbstgenügsame Geschiebe“ – besteht aus einem weißen Quader, der zwischen zwei aus gebrauchten Schieferdachplatten gebauten Schichten gesetzt ist. Die weiße Glätte des Mittelstücks bildet einen
reizvollen Kontrast zu den in Rhythmen gesetzten Dachplattenschichten, die eine strenge Geometrie im Querschnitt
verfolgen, in der wir eine Reihe von ineinander geschachtelten Dreiecken erkennen. Die dünnen Schieferschichten wirken leicht, erst das Mittelstück vermittelt einen optischen Eindruck von dem wahren Gewicht. Dabei ist das „selbstgenügsame Geschiebe“ über die scheinbare Bescheidenheit hinaus wohl ironisch zu deuten – hier will etwas seinen Platz behaupten und lässt sich keineswegs mal eben verschieben.

Wir entdecken hier also die Prinzipien von Sinskes Arbeit wieder, wie wir sie auch schon an der „Poker-Zwinge“ im Skulpturengarten kennen gelernt haben: Er verwendet Fundmaterialien (Dachplatten, Pflastersteine) und verwandelt sie durch gezielte Ergänzungen von selbst hergestellten Objekten (Guss-Sockel, Zentral-Quader) sowie Hinzufügung von Materialien aus anderen Zusammenhängen (Seil) zu Objekten von neuen, überraschenden Aussagequalitäten. Dabei ist assoziatives Um-die-Ecke-Denken durchaus erlaubt und ich glaube, sagen zu dürfen, bei HARRY R. SINSKE sogar ausdrücklich erwünscht.

Ich möchte nicht schließen, ohne allen, die zum Gelingen dieser Ausstellung beigetragen haben und durch fortwährenden Einsatz die Weiterentwicklung des Projektes gewährleisten, zu danken. Allen voran danke ich Monika Schulz und ihrem engagierten Team dafür, dass ich jedes Mal, wenn ich hierher komme, immer was Neues und immer sehr Schönes zu sehen bekomme und ich staune jedes Mal neu, was hier alles geleistet wird. Ich hoffe, dass die Zehdenicker und Ihrer Besucher dies angemessen zu würdigen wissen.

Fürs Zuhören danke ich Ihnen und wünsche ihnen viel Freude beim Betrachten der Arbeiten. Ich freue mich riesig, dass wir heute auch das richtige Wetter haben, um unseren Skulpturengarten in der von uns gewünschten Form genießen zu können. Zur Stärkung haben die fleißigen MitarbeiterInnen des Projektes wieder ein Kuchenbüffet aufgebaut. Uns allen wünsche ich noch einen heiteren Nachmittag mit anregenden Gesprächen beim Klang der Windharfe unter unserer alten Magnolie. Dort können Sie auch die neue Wasserschildkrötenanlage und das Insektenhotel bewundern, dessen beide neue Abteilungen, „die Twin Towers“ genannt, noch gestern fertig geworden sind.

Zehdenick, 24. September 2011                     Dr. Brigitte Hammer

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